Dirk A. Haumann: "'Nach Lean gibt es nicht"

Wir hören immer wieder das Statement, die Lean-Welle sei bereits abgeebbt. Sehen Sie das auch so?

Dirk A. Haumann: Das zu behaupten ist völliger Nonsens. Wir Mittelständler müssen zuerst Lean kennen und „können“. Lean ist in vielen Firmen noch gar nicht verstanden worden – auch nicht ansatzweise. Erst wenn wir Lean verstehen und beherrschen, können wir ernsthaft über Themen wie Agilität und/oder Digitalisierung nachdenken.

Was fasziniert Sie am Thema Lean?

Dirk A. Haumann: Zunächst einmal die unterschiedlichen Methoden und wie es gelingt, das Zusammenspiel der Methoden zu beherrschen. Nehmen wir 5S als Beispiel: Das „S“ steht für viele nur für Sauberkeit. Ich sage meiner Mannschaft immer wieder, dass Ordnung als Grundprinzip viel wichtiger ist. Denn Ordnung ist die Basis für Präzision – gerade in unserem Unternehmen. Wenn Mitarbeiter strukturiert und ordentlich arbeiten, lässt sich auch Präzision bauen und Verschwendung reduzieren. Viele Schwaben meinen, es sei mit der „Kehrwoche“ getan, um das eigene Haus sauber zu halten. Falsch. Sauberkeit ist der zweite Schritt. Zuerst kommt Ordnung. Sie ist die Basis für Qualität.

 Gibt es beim Thema Lean etwas, das Sie auf die Palme bringt?

Dirk A. Haumann: Wenn Chefs nicht verstanden haben, worum es bei Lean wirklich geht. Da habe ich in der Vergangenheit viel gesehen: Bei einem Automobilhersteller war Lean ein Anhängsel der QM-Abteilung, in einem anderen Unternehmen wurde es der HR-Abteilung zugesellt. Dort ist Lean lediglich eine Art „Ausbildungswelle“. Dabei gilt: Ich muss die Philosophie verstanden haben – und Lean dann in die Praxis umsetzen. Was mich auch immer wieder entsetzt: Wenn in einem Unternehmen die Geschäftsführung wechselt und der Nachfolger seine Arbeit ohne jegliches Lean-Verständnis beginnt. Dann ist Lean über kurz oder lang tot.

 Welche Rolle spielen die Führungskräfte?

Dirk A. Haumann: Eine ganz wesentliche. Das lässt sich am Beispiel Verschwendung gut zeigen. Führungskräfte und Mitarbeiter sollten zunächst verstehen, was Verschwendung ist. Dazu müssen sie sensibilisiert werden und ein Grundverständnis entwickeln. Wir transportieren bei RAMPF sehr viel mit dem Kran, die Teile bewegen sich dabei – mit der Lean-Brille betrachtet – „sinnlos“ hin und her. Ich sensibilisiere meine Leute deshalb u.a. mit Fotos. Die sind eine gute Hilfe, um ihnen zu zeigen, wenn beispielsweise ein Arbeitsplatz eine schlechte Ergonomie aufweist – ein wichtiges Thema, denn unsere Teile wiegen bis zu 23 Tonnen. Unser Ziel lautet, dass Teile nicht mehr auf dem Tisch abgestellt werden, sondern dass alles bewegt wird. Alles! Früher konnte sich kein Mensch vorstellen, dass ein Airbus 380 im Takt produziert und in der Halle weitertransportiert werden könnte.

Rampf Epument kl

 Blick in die Abformhalle

Was muss jemand tun, damit Lean im Unternehmen scheitert?

Dirk A. Haumann: Ich hatte einen Geschäftsführer, der das Thema Arbeitssicherheit ganz hoch aufgehängt hatte. Er gab eines Tages die Parole aus: „An den Treppen sind die Handläufe zu benutzen“. Kurz drauf habe ich ihn beobachtet, wie er keinen Handlauf benutzte. Darauf angesprochen war seine lapidare Begründung: „Da fassen so viele Menschen dran. Das ist unhygienisch.“ Ab diesem Zeitpunkt war das Thema tot. Denn ein Vorgesetzter hat Vorbildfunktion. Dazu muss allerdings eine offene Kultur geschaffen werden, in der auch der Chef höflich darauf aufmerksam gemacht werden darf, wenn er etwas falsch macht. Wenn ich bei einem Rundgang in unserer Fabrik keine Sicherheitsschuhe trage und den Laufweg in der Fabrik verlasse, werde ich darauf hingewiesen, doch bitte wieder einen Schritt zurückzugehen.

 Was kommt nach Lean?

Dirk A. Haumann: „Nach Lean“ gibt es nicht. Denn bei Lean geht es um eine ständige Verbesserung, die kleinen, täglichen Schritte, um besser zu werden. Insofern hört Lean nie auf.

 Gibt es ein Motto für Ihre Arbeit?

Dirk A. Haumann: Wenn ich abends nach Hause gehe, sage ich mir: „Das war heute der schlechteste Tag. Der morgige wird besser.“

Besten Dank für das Gespräch. (Die Fragen stellte Michael Rohn.)

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Dirk A. Haumann ist Autor des aktuellen eBooks „Eine stabile Basis – Die Voraussetzungen für Lean schaffen

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