Nachgefragt zum Thema ... Smart Factory

„Die Produktion muss im Zentrum der Strategie stehen“

Anlässlich der Bewertung „Best in class“ in der größten europäischen Branchenanalyse zu IIoT-Plattformen (Industrial Internet of Things) spricht der Geschäftsführer des Smart-Factory-Spezialisten FORCAM, Franz Gruber, über neueste Trends in datengestützter Fertigung (Smart Manufacturing).

Herr Gruber, wo stehen KMU aktuell in Sachen digitale Transformation? Wir haben den Eindruck, dass das Thema je nach Unternehmensgröße und Industriesegment ganz unterschiedlich bewertet wird. Beispiel Automobilzuliefererindustrie: Hier hat die Digitalisierung der Produktion aufgrund des enormen Kostendrucks einen hohen Stellenwert. Man hat erkannt, dass man nur durch die Integration der Produktionsebene mit IT die nächsten Produktivitätspotenziale erschließen kann. Wir erleben jetzt, dass die Symbiose zwischen Industrie 4.0/Digitalisierung, digitale Steuerung der Produktion und die Integration von Lean-Methoden deutlich an Fahrt aufnimmt.

Big Data gibt es in Hülle und Fülle in den Unternehmen. Aber wie gelingt es, daraus Smart Data in Echtzeit zu machen? Unser Ziel heißt Smart Factory. Und dorthin kommt man nur, wenn man aus einer Datenfülle – Big Data – benötigte Nutzwert-Informationen generiert, sogenannte Smart Data. Die müssen den Verantwortlichen in der KVP-Organisation zugeführt werden, denn nur dann haben sie die Möglichkeit, auch smarte Entscheidungen zu treffen. Hier ist ein ganzheitlicher Lösungsansatz von elementarer Bedeutung. Erstens müssen Sie in der Lage sein, sämtliche Maschinensteuerungen IT-technisch zu integrieren, ob in einer Edge- oder Cloud-Infrastruktur. Zweitens sollten Sie aus den beiden Quellen Maschinen- und Prozessdaten über ein semantisches Produktionsdaten-Modell in real-time Nutzwert-Informationen ableiten können. Auf diese Weise lässt sich dann der Produktionszustand in Echtzeit im cyberphysischen Raum abbilden – der sogenannte digitale Zwilling. Viele Unternehmen arbeiten heute noch mit IT-Silos, die über keine validierten Daten verfügen. Mit Hilfe von Data- Analysten wird dann versucht, aus dem „Datenverhau“ Informationen abzuleiten. Das funktioniert nicht. In einer Smart Factory benötigen Sie für Führungskräfte und Produktions-Mitarbeiter verlässliche Informationen aus einer Quelle, eine „Single Source of Truth“.

FORCAM Chef Franz Gruber s 

Sie haben gerade ein wichtiges Stichwort genannt: die Smart Factory. Welches sind aus Ihrer Sicht Meilensteine auf dem Weg dorthin? In vielen Unternehmen hat man sich in der Vergangenheit um Finance-, CRM-Anwendungen und/oder um Big Data gekümmert – aber die Digitalisierung der Produktion wurde hintangestellt. Das ist für mich echt verblüffend. Bei uns steht die Produktion im Zentrum der Überlegungen. Deshalb muss das Management Top-down in den Transformationsprozess eingebunden werden. Die zentralen Fragen lauten: Was bedeutet Digitalisierung der Produktion? Wie sehen Konzepte aus? Welche KPIs gibt es? Welche Methoden und Verfahren sollten beachtet werden, um nachhaltige Produktivitätssteigerungen zu erreichen?

Welche Rolle wird KI künftig spielen? Eine sehr wichtige Rolle. Heute wird KI ja hauptsächlich zur Muster-, Sprach- und Bilderkennung eingesetzt. Das Ziel lautet, aus Daten via spezifischer Algorithmen Pattern zu erkennen. Hier schlägt die Stunde der offenen Architektur: Sie ist der Garant dafür, dass KI-Anwendungen auf eine Datenintegrations-Plattform zugreifen können. Das konnten wir auf der diesjährigen Hannover Messe zeigen: Wir haben Anwendungen wie Alexa oder Cortana in unsere IIoT-Plattform integriert, was für die Besucher spektakulär war. Weil sie zum ersten Mal den Gesamtzusammenhang gesehen haben zwischen einer Maschinensteuerung, die Daten in die Cloud schickt, und den daraus validierten und visualisierten Informationen, die dem Produktionsleiter direkt im Smartphone zur Verfügung stehen. Oder wie der Werker selbst Sprachsteuerungen wie Alexa bei einer Störung nach dem aktuellen Status der Anlage XY fragen kann. Manches muss man live sehen, damit es „klick“ macht. Smart sein heißt offen sein.

Was verstehen Sie darunter? Wir sind überzeugt davon, dass sich mit der Digitalisierung der Produktion auch eine Änderung in der IT-Lösungsarchitektur ergibt – weg von monolithischen, geschlossenen Systemen hin zu offenen, serviceorientierten IT-Architekturen. Denn nur so lassen sich unterschiedliche Anwendungen orchestrieren.

Im November planen Sie wieder einen FORCAM Innovation Day FID. Welches Thema steht dieses Jahr im Fokus? Das zentrale Stichwort dieses Jahr heißt „Ökosystem“. Welche Vorteile bietet eine IIoT-Plattform in der Produktion? Wenn es darum geht, Spitzenanwendungen einzubinden, dann lautet die zentrale Frage, wie sich eine solche Plattform unter Berücksichtigung bestehender Anwendungen nutzen und laufend weiterentwickeln lässt. Dazu benötigen Sie ein starkes Kunden-, Partner- und Interessenten-Netzwerk. Für den Ansatz einer offenen IIoT-Plattform kombiniert mit einem starken Ökosystem haben wir in der größten europäischen Studie zu IIoT-Plattformen gerade das Urteil „Best in class“ erhalten.

Werfen wir noch einen Blick auf die nächsten 10 Jahre. Welches wird die nächste große Welle sein? Das wird aus unserer Sicht wohl das Thema Arbeit 4.0 sein. FORCAM selbst befindet sich derzeit in einem Transformationsprozess – weg von einer hierarchisch geführten Organisation hin zu einer Netzwerkorganisation. Warum? Weil wir die Vision, die wir in unsere Software-Architektur eingebaut haben, in unserer eigenen Organisation nachzeichnen müssen. Anders gesagt: Die Organisation folgt der IT-Architektur. Nur so gelingt es, in Zeiten sich immer schneller ändernder Rahmenbedingungen immer agiler und effizienter zu werden. Und damit schlagkräftiger.

Letzte Frage zum Recruiting: Ihr Unternehmen hat seinen Sitz in Oberschwaben. Wie gelingt es Ihnen, in Zeiten des Fachkräftemangels kompetente Mitarbeiter zu gewinnen? Kurz gesagt: Wir stellen uns asynchron auf. All diejenigen, die mit stolz geschwellter Brust von ihrem Besuch in Silicon Valley erzählen, sollen ruhig nach Berlin gehen. Wir hingegen suchen genau den gegenteiligen Menschentyp. Deshalb kommen diejenigen, die in familiären Umfeldern denken und respektierte Kolleginnen und Kollegen in einer Netzwerkorganisation sein wollen, zu uns: Willkommen in Ravensburg!

Besten Dank für das Gespräch. (Das Gespräch führte Michael Rohn, Verlagsleiter bei LOG_X)

Franz E. Gruber, Jahrgang 1963, ist Gründer und Chef des Smart-Factory-Spezialisten FORCAM in Ravensburg. Der studierte Wirtschaftsingenieur war in den 1990er Jahren die rechte Hand von Dietmar Hopp bei SAP, bevor er im Jahr 2001 mit FORCAM als Pionier für Fabriksoftware startete, lange vor dem Begriff "Industrie 4.0".

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