Der digitale Samurai  ein Gespräch mit Richard Keegan

LOG_X: Richard, in Ihrem demnächst auf Deutsch erscheinenden Buch „Die fünf Ringe der Lean Businesse Excellence“ beziehen Sie sich auf eine berühmte Vorlage. „Die fünf Ringe“ von Miyamoto Musashi beschäftigt sich mit fundamentalen Tugenden des Schwertkampfes. Was hat das mit Ihnen und Ihrem eigentlichen Thema Lean zu tun?

Richard Keegan: Der ursprüngliche Auslöser für meine Befassung mit Musashi war mein damaliges Alter. Ich bekam sein Buch in die Hände, als ich Mitte 50 war und begonnen hatte, über meine bisherige berufliche Laufbahn nachzudenken. Meine erste Erkenntnis war, dass gerade in der vermeintlichen Einfachheit der „fünf Ringe“ eine tiefe Wahrheit steckt.

Jahrzehntelang hatte ich Leuten zugehört, die komplexe Dinge über komplexe Ideen von sich gaben. Übertragen auf die Akustik kann man diese grassierende Komplexität als eine Art Lärm bezeichnen, der uns von morgens bis abends beschallt. Ständiger Lärm macht Menschen krank und bewirkt, dass man kaum noch einen klaren Gedanken fassen kann. Man beginnt, sich zu verzetteln und den Überblick über das eigene Handeln zu verlieren.

In den klaren Aussagen der „fünf Ringe“ erkannte ich eine Möglichkeit, die überkomplexe Wirklichkeit auf einfache Grundlagen zurückzuführen – von denen aus komplexe Zusammenhänge wieder neu erkennbar und erklärbar waren. In einer Analogie lässt sich das mit einem Gebäude vergleichen, das auf einem einfachen, aber stabilen Fundament ruht, welches die Architektur nicht einschränkt, aber für die gesamte Statik unerlässlich ist.

Die „fünf Ringe der Lean Business Excellence“ stellen für mich ein solches Fundament für unternehmerische Spitzenleistung dar. Wenn diese Basis fehlt oder wackelt, wird man kaum jemals zur Meisterschaft gelangen – womit wir wieder bei den Gedanken von Miyamoto Musashi sind. Unternehmer und Manager sind zwar keine Schwertkämpfer, aber es geht auch bei Ihnen um sehr viel. Nämlich um die Verantwortung für ein Unternehmen und die dort arbeitenden Menschen. Besser, die täglich zu treffenden Entscheidungen stehen auf sicherem Grund. Gerade bei Lean war und ist es so, dass man sich in den komplexen Details verzettelt, anstatt die Grundlagen zu beherzigen. Dann bleibt der Erfolg aus.

Richard Keegan 5 Ringe der Lean Business Excellence

LOG_X: Musashi stellt fest, dass es beim erfolgreichen Schwertkämpfer nicht nur auf die virtuose Beherrschung der Kampftechnik ankommt, sondern vor allem auf die mentale Einstellung, den „Geist“ oder „Spirit“. Lässt sich auch das auf unsere Geschäftswelt übertragen?

Richard Keegan: Unbedingt. Und dabei spreche ich keine esoterischen Fragen an, sondern bleibe beim objektiv beobachtbaren Spirit. Meine Wahrnehmung ist, dass deutsche Unternehmen und Unternehmer stark in der Gesellschaft verankert sind und sich dieser Gesellschaft verpflichtet fühlen.

Ich verwende in diesem Zusammenhang gerne das Wort „kümmern“ (caring). Der Begriff wird im geschäftlichen Umfeld kaum gebraucht, obwohl er zentrale Bedeutung hat. Wer sich nicht intensiv um sein Unternehmen, um die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter und Kunden, um seine Mitbürger und deren Lebensumstände kümmert, hat jeglichen Bezug zu seiner eigenen Basis verloren. Wer so handelt, zerstört auf lange Sicht nicht nur seine eigene Existenzgrundlage, sondern den gesamten Planeten.

Auch Musashi kommt auf diese Dinge zu sprechen, wenn er vom „Bushido“, dem Sittengesetz der Samurai berichtet. In der europäischen Kultur sind Themen wie Hilfsbereitschaft und Achtsamkeit ebenfalls tief verwurzelt. In den Ritterorden des Mittelalters waren sie untrennbar mit den Vorstellungen von Würde und Ehre verbunden. Wer sich nicht kümmerte, war ehrlos.

LOG_X: Vielleicht hilft uns die aktuelle Debatte um „Achtsamkeit“ ja, uns hier auf verloren gegangene Tugenden zu besinnen?

Richard Keegan: Hoffen wir’s (lacht). Wobei ich einen Teil dieser Tugenden im „Spirit“ vieler deutscher Unternehmen, wie gesagt, durchaus noch zu erkennen glaube (Ende von Teil 1 des Gesprächs, wird fortgesetzt). 

Die Fragen stellte Gerhard Spengler

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