Nachgefragt zum Thema ... Digitale Fabrik

„Digitale Geschäftsmodelle werden an Relevanz gewinnen“

Heinz Wilming von AKQUINET spricht in diesem Interview über Themen wie digitales Mindset, Design Thinking, Optimierung des Services – und liefert nachdenkenswerte Antworten.

Herr Wilming, wie verbreitet ist in KMU ein ‚digitales Mindset‘? Das Mindset ist bei der Geschäftsführung und im Management durchaus vorhanden, trifft aber häufig auf großen Widerstand, weil ja scheinbar alles so gut läuft: Man ist im traditionellen Geschäft noch immer sehr erfolgreich, die Auftragsbücher sind voll. Nach unserer Erfahrung rückt das Thema Digitalisierung häufig/spätestens bei einem Generationswechsel ganz oben auf die Agenda. Man hat erkannt: Wir müssen uns strategisch der Digitalisierung öffnen und uns dem Thema nähern – ohne zu wissen, wie eine zukünftige Lösung aussehen könnte und womit man in den nächsten Jahren primär Geld verdienen wird. Von daher bin ich mir ziemlich sicher, dass digitale Geschäftsmodelle an Relevanz gewinnen werden.

Im Zusammenhang mit der Entwicklung digitaler Geschäftsmodellen werden immer wieder gemischte Mitarbeiter-Teams empfohlen. Das ist richtig. Auch wir haben hier viele positive Erfahrungen gesammelt. In den Mitarbeitern eines Unternehmens stecken auf allen Ebenen sehr viele Potenziale. Unserer Meinung nach muss man alle Mitarbeiter auf diesen Weg der digitalen Transformation mitnehmen. Schließlich handelt es sich um eine große Veränderung. Das bedeutet zum Beispiel: Die Vertriebsmitarbeiter eines Industrieunternehmens müssen heute auch die Vorteile von Softwarekomponenten einer Maschine oder Anlage darstellen und mit verkaufen können. Das fällt einigen allerdings sehr schwer.

Wilming Heinz 400

"Unternehmen benötigen Mut zu sagen: Dieses Projekt ist gescheitert, aber es war ein Erfolg. Weil wir nun wissen, in welche RIchtung wir uns bewegen müssen."

Was empfehlen Sie in diesem Falle? Wir begleiten Unternehmen mit Design Thinking-Workshops. Dort kommen unterschiedliche Menschen aus dem Unternehmen an einem Tisch zusammen. Die Kreativitätsmethode hilft sehr gut, sich von Ängsten und Einschränkungen frei zu machen. Wir sind hierzulande ja Weltmeister darin, superkritisch auf neue Ideen zu blicken. Dabei ginge es darum, sie einfach einmal zuzulassen und losgelöst vom Tagesgeschäft auf neue Themen zu blicken. Häufig stelle ich jedoch fest, dass ein solch übergreifender Austausch bei vielen Unternehmen nicht sehr ausgeprägt ist.

Dann empfiehlt sich, wenn ich Sie richtig verstehe, auch bei diesem Thema ein agiles Vorgehen? Ja, denn es ist sehr wichtig, bereits früh zu erkennen, was nicht funktioniert oder nicht zum Unternehmen passt. Gerade aus der IT kennen wir ja die Berichte, dass große Projekte nach vielen Jahren gescheitert sind und etliche Millionen Euro abgeschrieben werden müssen. Mit einen iterativen Vorgehen kann das vermieden und Fehlentwicklungen früh erkannt werden. Es gehört jedoch auch viel Mut dazu frühzeitig zu sagen „Dieses Projekt ist gescheitert, aber es war ein Erfolg, weil wir nun wissen, in welche Richtung wir uns bewegen müssen.“

Wie sieht der erste Schritt auf dem Weg zu einem digitalen Geschäftsmodell aus? Zunächst einmal lässt sich das klassische Geschäftsmodell mit digitalen Produkten ergänzen. Nehmen wir einen klassischen Maschinenbauer, der heute bereits digitale Produkte in Form von Softwarekomponenten in seiner Maschine ausliefert. Ein interessantes Anwendungsfeld ist die vorausschauende Wartung oder Predictive Maintenance.

Haben Sie hier ein interessantes Beispiel parat? In vielen produzierenden Unternehmen sind die Margen, die sie beim reinen Verkauf ihres Produktes erzielen, rückläufig. Zukünftige Potenziale liegen im Service und in Dienstleistungen. So hat ein Unternehmen der Intralogistikbranche, das Gabelstapler produziert, in seine Produkte zwei Software-Komponenten implementiert. Bei der einen handelt es sich um ein cloudbasiertes Managementsystem, das die Endkunden nutzen, um ihre Gabelstaplerflotte zu managen und die Gabelstapler zu konfigurieren. Auf diese Weise können sie beispielsweise definieren, wie schnell ein Gabelstapler in einer Halle fahren darf. Dort, wo Gefahrengut gelagert wird, kann die Geschwindigkeit beispielsweise reduziert werden.

Sie erwähnten noch eine zweite Softwarekomponente. Die zweite Komponente hilft, anhand der übermittelten Fahrzeugdaten in Erfahrung zu bringen, wie die Maschinen beim Kunden tatsächlich eingesetzt werden. So bekommt er Antworten auf Fragen wie „Um welchen Fahrzeug-Typ handelt es sich?“, „Handelt es sich nur um eine einfache oder um eine sehr intensive Nutzung?“, „Wie waren die Fehler-Codes?“, „Wie sieht die Fahrzeug-Historie aus?“ Auf diese Weise lassen sich Kosten exakt berechnen. An den Leasing-Flotten hängen schließlich Wartungsverträge und Service Level Agreements. Bereits mit wenigen Daten gelang es, den Service deutlich zu optimieren und Ausfallzeiten bei den Endkunden deutlich zu reduzieren und vorausschauend zu prognostizieren.

In einem Satz formuliert: Was sollten Unternehmen tun, um digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln? Unternehmen sollten in kleinen Schritten vorgehen, das bereits Vorhandene in den Blick nehmen und sukzessive weiter ausbauen. Allerdings ist hier auf dem Weg zur Digitalen Fabrik und zu Digitalen Geschäftsmodellen noch viel Basisarbeit zu leisten.

Besten Dank für das Gespräch. (Das Gespräch führte Michael Rohn, Verlagsleiter bei LOG_X)

www.akquinet.de

Heinz Wilming ist Geschäftsführer Competence Center Industrie 4.0 bei der AKQUINET AG, einem IT-Dienstleister mit Sitz in Hamburg.

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