"Der Mix macht's"  Ein Gespräch mit Christoph Dill

„Am Markt beginnt jede unternehmerische Aktivität. Und in den Markt mündet sie wieder.“ So begann das erste Kapitel des Buches „Vom Markt zum Markt“, bei LOG_X erschienen im Jahr 2001. Seit dem damaligen Erscheinungstermin ist viel Zeit vergangen – Zeit, in der das Konzept permanent modifiziert und erweitert wurde. Und jetzt als eBook präsentiert wird. Autor der Neuerscheinung „Vom Markt zum Markt – reloaded“ ist Dr. Christoph Dill. Mit ihm sprach Michael Rohn, Verlagsleiter bei LOG_X. 

LOG_X: Welche Rolle spielt das Thema „Agile Produktentwicklung“ in Ihrem Konzept?

Christoph Dill: Agile Produktentwicklung wird in der Managementliteratur derzeit als eine Art Wundermittel propagiert, neben dem alle anderen Konzepte verblassen. Das Motto lautet „entweder agil oder klassisch entwickeln“. Das ist meiner Ansicht nach völliger Nonsense. Beide Ansätze haben ihre Berechtigung. Für welchen Ansatz man sich entscheidet, hängt von der Logik des Produktes, der Situation, der Aufgabe sowie der Erfahrungen und Kompetenzen ab und sollte nicht zu einer Grundsatz- oder Philosophie-Frage werden. Das hilft niemandem. Die Frage lautet vielmehr: Was macht Sinn? Aus der Antwort ergeben sich dann jede Menge Kombinationen, die sinnvoll sein können.

Stage Gate steht bekanntlich für eine klare Struktur und hilft gut zur Einteilung, wenn man Planungssicherheit haben oder Zwischenziele verbindlich terminieren will. Die typisch agilen Lernloops hingegen sind extrem hilfreich, wenn man sich inhaltlich noch nicht ganz sicher ist und schnelles Feedback vom User oder Markt benötigt. Aus diesem Grund haben wir beide Ansätze in unserem Modell „Vom Markt zum Markt“ kombiniert: Ein klares Grundraster mit den vier Phasen – und dazwischen Platz für die nötigen Lernloops. Der Mix macht’s.

christoph dill vom markt zum markt reloaded

LOG_X:  Sie sprechen in Ihrem Buch auch von Speed Innovation. Könnten Sie kurz erläutern, was Sie darunter verstehen? 

Christoph Dill: Im Innovationszyklus geht es grundsätzlich immer darum, schnell zu sein. Das Unternehmen, das als erstes mit einer neuen Lösung auf den Markt kommt, diktiert den Preis und erzielt die höchsten Margen. Aus diesem Grund ist Speed in der Produktentwicklung ein wesentlicher Parameter. Allerdings muss einschränkend gesagt werden, dass ‚Speed‘ kein Selbstzweck und immer relativ zum Markt zu betrachten ist. Es gibt Märkte, in denen eine Entwicklungszeit von drei Jahren schnell ist, in anderen ist das langsam. Beispielsweise sind Märkte mit sicherheitsrelevanten Produkten traditionell nicht so schnell. Dort, wo es um Gefahr für Leib und Leben geht, wollen Kunden nicht den letzten Schrei der Technik, sondern erprobte Technologien. Ebenso gilt es gerade im B2B-Geschäft, die Innovationszyklen zeitlich und inhaltlich zu synchronisieren. Hier heißt Speed: den richtigen Zeitpunkt treffen und die Fokussierung der Entwicklungsarbeiten sicherstellen. Das ist Speed, der Sinn macht.

LOG_X: In Ihrem konzeptionellen Ansatz geht es darum, Produkte schnell und treffsicher zu entwickeln. Aber Sie sprechen nicht von „Produkten“. Weshalb? 

Christoph Dill: Der Begriff „Produkt“ wird immer sehr schnell mit einem Sachgut gleichgesetzt. Man denkt sofort an etwas, das sich anfassen lässt. Wir erleben jedoch, dass das Sachgut für Kunden und Nutzer immer weniger relevant ist. Der Trend geht immer mehr in Richtung Gesamtleistung. Ein bekanntes Beispiel ist das Thema Sharing: Vor 30 Jahren war es, salopp gesagt, noch ein Thema der „Ökos“. Man teilte ein Auto mit dem Nachbarn oder einem Freund, weil man Geld sparen und auf Konsum verzichten wollte. Heute ist der primäre Motor von Sharing, ein gut gewartetes Produkt in Top-Qualität zu benutzen, aber sich nicht darum kümmern zu müssen. Der Mehrwert liegt nicht mehr im Produkt, im Sachgut selbst. Aber weil es zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Qualität zur Verfügung steht, sagen Kunden: Ein Auto zu nutzen als es selbst zu besitzen ist in Summe betrachtet die bessere Lösung.

LOG_X: Wie gelangen Produktentwicklungs-Teams an den Puls des Kunden? 

Christoph Dill: Es ist ganz günstig, wenn man mit ihm redet (lacht). Spaß beiseite: Es ist elementar wichtig, Entwickler mit Kunden in Kontakt zu bringen. Aus dem Fan-Forschungsumfeld wissen wir: Kunden, die eine sehr hohe Loyalität zu einem Unternehmen aufweisen, also echte Fans sind, sind sehr gerne bereit, bei der Entwicklung neuer Produkte zu helfen. Dazu müssen aber beide ihre „Brillen aufbehalten“ dürfen: Der Kunde kommt mit seinem aktuellen Problem und darf sagen, was ihn an einem Produkt stört. Und der Entwickler darf fragen, was er morgen besser machen könnte. Deshalb meine Empfehlung: Raus aus dem Elfenbeinturm, ran an den Kunden und mit ihm reden.

LOG_X: In Ihrem eBook bedienen Sie sich einer Uhrenmetapher. Weshalb? 

Christoph Dill: Wenn ich Innovationen entwickle, muss ich wie bereits gesagt schnell am Markt sein. Von daher geht es immer gegen die Zeit. Je weiter ich im Projekt voranschreite, desto weniger Zeit bleibt übrig. Die Uhrenmetapher ist aber auch eine ausgezeichnete Orientierungshilfe für das Team. Wenn wir beispielsweise sagen „Wir sind im Entwicklungsprozess jetzt bei 6 Uhr“, so wissen alle, was damit gemeint ist: Halbzeit! Das macht Vieles in der Kommunikation einfacher.

LOG_X: Letzte Frage: Wer sollte Ihr Buch lesen?

Christoph Dill: Kurz gesagt: Kundenorientierte, interdisziplinär arbeitende und ganzheitlich denkende Innovatoren, die gerne schnell und zielgerichtet erfolgreiche neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle entwickeln und realisieren wollen.

LOG_X: Besten Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Michael Rohn, Verlagsleiter bei LOG_X

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